Ziele der HDS
Was will die HDS?
Politik, die Gesellschaft zum Besseren gestalten will, muss auf sozialwissenschaftlicher und ökonomischer Analyse und historisch-politologischem Diskurs basieren. Strukturkonservative oder Vertreter von Partialinteressen und Lobbys brauchen dies nicht, wohl aber, wer dem Gemeinwohl verpflichtet die Welt verändern will. Erst durch die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Strukturen und Prozessen können Problemlösungspfade gefunden werden, bis hin zur orientierenden Landkarte, die einer tiefgreifenden Reformpolitik den Weg weist.
Die Hochschulinitiative Demokratischer Sozialismus (HDS e. V.) steht hierbei, wie der Name schon sagt, in der sozialdemokratischen Tradition der Arbeiterbewegung. Bei allen anderen und darüber hinausgehenden Widersprüchen geht es auch um die politische Ökonomie, um die Strukturen der (sich wandelnden) kapitalistischen Wirtschaftsordnung, Auch verweist der Name darauf, nicht in einem technokratisch-kurzfristigen Politikverständnis zu verharren, sondern Spannungsverhältnisse zum utopischen Überschuss, zur grundwerteorientierten Zielsetzung einer nachhaltigen Gesellschaft der Freien und Gleichen, aufrechtzuhalten.
Ursprünglich, in den 1970er-Jahren, spielte die Abgrenzung zu dogmatisch marxistischen Positionen, wie sie aus der Neuen Linken stammten, eine wichtige Rolle. Die an Eduard Bernstein anknüpfende Theorietradition des Revisionismus und Reformismus wurde intensiv aufgearbeitet. Längst schon kann man die Mitglieder der HDS nicht mehr einer bestimmten sozialdemokratischen Strömung oder Theorieschule zuordnen – sie eint jedoch, dass Politik ohne theoretische und historische Fundierung sich schnell als zu kurzatmig oder gar als in die Irre führend erweisen würde.
Diesem Anspruch gemäß hat die HDS in den letzten Jahrzehnten den Diskurs im sozialdemokratischen Umfeld mitgeprägt. Sie hat regelmäßig Tagungen und Seminare ausgerichtet, zahlreiche programmatische Bücher veröffentlicht und seit 1982 die Zeitschrift perspektiven ds (bis 1990 pds) herausgegeben. In den perspektiven ds werden relevante Themen der Gesellschaftsanalyse und Reformpolitik erörtert – wobei die Frage nach tiefgreifenden oder gar systemüberwindenden Strukturreform nicht tabuisiert wird. In ihr schreiben führende Wissenschaftler, sozialdemokratische Politiker, Mitgliedern der HDS, sowie jüngere Nachwuchswissenschaftler.
Erklärung des Vorstandes März 2016
Was will die Hochschulinitiative Demokratischer Sozialismus?
Die HDS wurde 1976 gegründet, um auf Basis grundlegender Analysen und Diskussionen «eine praxisnahe, konkrete Theorie des Reformsozialismus» zu begründen.
Inzwischen ist der marxistisch-leninistische Kommunismus zusammengebrochen. Das einst breite sozialdemokratische Milieu spaltet sich in SPD, GRÜNE und LINKE auf. Die entfesselte Marktgesellschaft ist mehr denn je durch Globalisierung und Digitalisierung gekennzeichnet. Menschenrechte, Demokratie, Gleichberechtigung und offene Gesellschaft werden durch ideologische und religiöse Fundamentalismen infrage gestellt. Eine neue Rechte reaktiviert erfolgreich antidemokratisch-völkische Chiffren vom Ende der Weimarer Republik.
Vor Hintergrund dieser historischen Entwicklungen aus vier Jahrzehnten bleibt das Ziel der HDS, die Position des «demokratischen Sozialismus» in der hochschul- wie in der allgemeinpolitischen Debatte zur Geltung zu bringen und so einen Beitrag zur Bereicherung und Vertiefung der politischen Diskussion zu leisten:
1. Kooperative Theoriearbeit zur Überwindung eines doppelten Theoriedefizits
Die HDS wendet sich gegen theorielosen Pragmatismus, gegen Politik als bloße Managementaufgabe auf Sicht – ohne historische und ohne Werte-Bezüge, ohne die Idee sozialer Freiheit, ohne die Erzählung einer Utopie, ohne Gesellschaftskritik und erkennbare lange Linien.
Darüber hinaus wendet sich die HDS gegen den praktisch unfruchtbaren Ableitungsmarxismus, wie er einst an vielen sozialwissenschaftlichen Hochschulen hegemonial war, und gegen den Habitus des linken Radikalismus, der bloßen Kritik und Verweigerung, der fundamentalen Opposition, wie er vor allem in der Partei DIE LINKE und einem linksästhetischen Kulturmilieu zu finden ist.
2. Politischer und wissenschaftlicher Pluralismus, selbstkritische Lernbereitschaft und entschiedener Praxisbezug
Die HDS ist eine Vereinigung aus Wissenschaftler(inne)n, Publizist(inne)n, Akademiker(inne)n und Studierenden, die an offenen Diskursen und Publikationen, am Austausch pointierter Positionen interessiert sind. Damit die Pluralität unterschiedlicher politischer wie wissenschaftlicher Ansätze und Wissenschaftsdisziplinen im Dialog fruchtbar werden kann, ist die Bereitschaft zur Kritik auch der eigenen theoretischen Annahmen und Modelle ein grundlegendes Arbeitsprinzip. Weder darf es bei der unverbindlichen Heterogenität von Modellen bleiben, noch sollte der Versuch gemacht werden, anderen die eigenen Ansätze als die einzig adäquaten aufzudrängen. Die Beschäftigung mit sozialen, ökonomischen, kulturellen, historischen und politischen Entwicklungen steht für die HDS im Mittelpunkt. Sie arbeitet nicht für den akademischen Elfenbeinturm, sondern will sich an den Debatten um handlungsorientierte Theoriebausteine, um Wege der Veränderung und Strategien der Gesellschaftsreform beteiligen.
Die HDS versteht sich ausdrücklich nicht als eine innerparteiliche Strömungsorganisation, sondern als ein pluralistisch offener, analytischer, programmatischer und politischer Diskurszusammenhang. Sie organisiert intellektuelle Freiräume; ihr Alleinstellungsmerkmal ist die Kommunikation jenseits von tagespolitischen Entscheidungszwängen und personalisierten Machtperspektiven.
3. Hochschulinitiative und Sozialdemokratie: Ein Verhältnis kritischer Solidarität
Die HDS ist ein unabhängiger gemeinnütziger Verein. Ihre Mitglieder sind nicht alle Mitglieder der SPD. Kritische Positionen jenseits der aktuellen SPD-Politik – vor allem von linken Christen, GRÜNEN, LINKEN, Gewerkschaftern und Vertretern sozialer Bewegungen – gehören zum Diskurs.
Dennoch besteht historisch wie aktuell ein besonderer Bezug zur Sozialdemokratie, was im Namen der HDS zum Ausdruck kommt. In der Tradition des «demokratischen Sozialismus» bündelte sich im 20. Jahrhundert vor allem zweierlei: zum einen die historische Grunderfahrung aus der Arbeiterbewegung, dass Reparaturen am Kapitalismus nicht genügen und eine neue Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft nötig ist; zum anderen die scharfe Abgrenzung vom diktatorischen Weg des etatistischen, marxistisch-leninistischen Kommunismus. So widmet sich die HDS seit 1976 der Rekonstruktion einer solchen demokratisch-sozialistischen Programmatik – von den Marx’schen Frühschriften über die Texte von Eduard Bernstein und über Grundwertedebatten bis hin zu Grundfragen von Menschenbild, Demokratisierung, Gleichheit, Frieden, Ökologie und der Zukunft Europas.
Diesem Grundmotiv des «demokratischen Sozialismus» bleibt die HDS verpflichtet: dass Freiheit und Menschenrechte für alle erstritten werden müssen, dass alle Menschen das Recht haben, ihr Leben nach eigenen Vorstellungen selbst zu gestalten, dass Demokratie der sozialen Fundierung bedarf, dass es hierzu der öffentlichen, demokratischen Kontrolle wirtschaftlicher Macht und der Freiheit der Information bedarf.
Seit dem Zusammenbruch des sogenannten Realsozialismus werden in der HDS zwei Positionen vertreten: diejenige des notwendigen Festhaltens am Begriff des «demokratischen Sozialismus» (denn nicht der «demokratische Sozialismus» sei gescheitert, sondern sein bekämpfter Widersacher) sowie diejenige des notwendigen Aufgebens des Begriffs des «demokratischen Sozialismus» (da in der Lebenswirklichkeit der Sozialismusbegriff eng mit Sowjetunion und DDR verbunden ist, sei dieser diskreditiert und sollte durch «soziale Demokratie» ersetzt werden). Entscheidend ist, mit welcher Begrifflichkeit auch immer, der globalen Herrschaft des Neoliberalismus eine universalistisch-humanistische Perspektive «gleicher Freiheit» entgegenzusetzen.
4. Schwerpunktarbeit der Hochschulinitiative innerhalb der gesellschaftlichen Multiplikatoren und Führungskräfte
Die HDS diskutiert nicht nur untereinander, was im Sinne von Klärung und Überzeugungskraft nicht unterschätzt werden sollte. In ihren Tagungen und Publikationen spricht die HDS seit Jahrzehnten politische und wissenschaftliche Meinungsträger links der Mitte an, um dort für «soziale Demokratie» und/oder «demokratischen Sozialismus» im weiteren Sinne zu wirken. Denn nur aus einer wertorientierten Kritik kann sich über handlungsorientierte Kommunikation eine Praxis entwickeln, die die Verhältnisse selbst infrage stellt und ihre geronnenen Systemstrukturen zu reformieren (manche sagen gar: zu überwinden) vermag. Eine solche reale, nur der Wahrheit verpflichtete, Diskursorientierung grenzt sich scharf von der allgegenwärtigen, vor allem symbolischen Medienkommunikation ab. Die HDS steht für das vorsichtige, entschleunigte, wissenschaftlich fundierte Ringen um Erkenntnis im herrschaftsfreien Diskurs als Gegenmodell zur meist schnelllebig oberflächlichen Internetkommunikation des Unverbindlichen.